Geduld

Eine Erkenntnis während einer Zugfahrt… 

In dem Dorf Liuli lerne ich tagtäglich was Geduld bedeutet. Wie? Einfach weil die Zeit – zumindest nach meinem Empfinden – hier viel, viel langsamer vergeht. Sie scheint förmlich zu stehen, ähnlich der Situation wenn man nachts nicht einschlafen kann. Ebenso sind die meisten Geschehnisse – trotz sorgfältiger Planung – in dem Land Tansania jedes Mal wieder völlig unvorhersehbar.

Fragen wie „Wann kommt der Bus?“ oder „Wann fahren wir los?“ sind sehr überflüssig, da sie mir keiner wirklich beantworten kann. Wer es dennoch tut, will mir höchstens etwas Zuversicht geben, damit ich weniger ungeduldig aussehe. Die meisten Menschen leben hier im Moment. Sie planen in der Regel – abgesehen von den täglich wiederkehrenden Arbeiten – nichts! Nicht für den folgenden Tag, den folgenden Monat oder das kommende Jahr. Was erledigt werden muss wird so erledigt wie sich jeder danach fühlt. Ich habe das Gefühl, dass sie dadurch jede Situation vollkommen emotional losgelöst betrachten und daher stressfreier mit ihr umgehen beziehungsweise sich von ihr lösen können.

Durch diesen Umstand wurde mir bewusst, dass das Leben aus Geduld besteht. Zeit ist relativ, und wieviel Zeit ich habe kann mir keiner beantworten. Ich weiß nicht wann Schluss ist im Sinne von „tot“ oder es los geht im Sinne von „Himmel“. Warum soll ich mich also künstlich stressen? Anstatt die Zeit die mir geschenkt ist zu genießen und so zu gestalten wie sie mir gefällt?

Wenn ich die Geduld nicht aufbringen kann zu warten, werde ich im Leben an Unwichtigem verzweifeln und dadurch all das Gute verpassen was das Leben ausmacht. Also übe ich mich in Geduld und nutze die Zeit bestmöglich, um schöne Momente wahrnehmen und genießen zu können. Ich bin seit dieser Erfahrung in Liuli und der daraus gewonnenen Erkenntnis viel zufriedener und gelassener, wenn ich es nicht eigentlich sogar schon immer gewesen bin. Das Land und meine alte Heimat haben mich sehr in meiner Selbstsicherheit gestärkt. Für diese Erkenntnis bin ich sehr dankbar.

Ein Baum der nicht auf Regen warten kann, wird verdorren und nicht mehr leben.

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